Das diesjährige Oktoberfest begann mit einem Hitzerekord. Dann kamen die Kälte und der Regen. Was bleibt, ist die besondere Stimmung. Das zeigen diese Eindrücke vom grössten Volksfest der Welt.
Dieter Reiter war erleichtert. «Glück gehabt, es ist gut gegangen», sagte Münchens Oberbürgermeister, nachdem er erfolgreich das erste Fass Bier auf dem Oktoberfest angestochen hatte. «Es war aber heute tatsächlich viel schwieriger als in den vergangenen Jahren, weil es so heiss war.» Er habe so geschwitzt an seinen Händen, dass er gedacht habe, der Schlegel falle ihm aus der Hand. Das 190. Oktoberfest hat am vergangenen Samstag begonnen – mit weiss-blauem Himmel, hochsommerlichen Temperaturen, strahlenden Menschen in Dirndl und Lederhosen und einem Rekord: 31 Grad waren es draussen. So heiss war es laut Angaben des Deutschen Wetterdienstes (DWD) zum Wiesnstart noch nie.
«Puh, ist das warm», sagte auch der bierzelterprobte Markus Söder (CSU). Wie es seit Jahrzehnten Tradition ist, bekam der bayerische Ministerpräsident auch 2025 die erste Mass. «Die Wiesn ist die beste Form, gegen die Krisen der Welt anzukämpfen. Einfach Auszeit, ein bisschen Lebensfreude, Kraft tanken», sagte Söder, er sprach von einem «Moment der Friedlichkeit».
Das Warten auf die von Söder versprochene Friedlichkeit: Schon am Abend vorher haben sich die ersten Wiesnbesucher in die Schlangen gestellt und an den Zäunen ausgeharrt.
Um Punkt 9 Uhr öffneten sich dann die Absperrungen. Der Run auf die nicht reservierten Tische in den Bierzelten begann.
Auch beim traditionellen Trachtenumzug am Sonntag brannte die Sonne. Zahlreiche Teilnehmerinnen und Teilnehmer in traditioneller Tracht zogen durch die Münchner Innenstadt – ein bayerisches Brauchtumsspektakel.
Dieser Herr veranschaulicht, was die heutige Oktoberfest-Kleidung eigentlich einmal war: ein Arbeitsgewand.
Strenggenommen war das Dirndl schon immer eine Verkleidung. Seinen Ursprung hat es im Arbeitskleid der Mägde in Bayern und Österreich im 19. Jahrhundert. Ihr langer, weiter Rock bestand aus einem robusten Stoff, etwa Leinen oder Wolle. Dazu trugen sie Bluse, Mieder und eine Schürze, die oft aus Bettwäsche gefertigt war. Erst seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert kennt man Dirndl und Lederhosen als «Tracht». Vorher war das eben die ganz einfache Alltags- und Arbeitskleidung der Bevölkerung auf dem Land. Das sogenannte «Gwand».
Franziska Inselkammer ist die Tochter der Wirtefamilie des Armbrustschützenzelts auf der Wiesn. Sie verkörpert das «Münchner Kindl» und fungiert seit 2023 als Botschafterin der Stadt. Hoch zu Ross führt Inselkammer beim Trachtenumzug die Gruppen an – und schliesslich auf die Wiesn.
Vor und während des Oktoberfests strahlt von jeder Münchner Litfasssäule ein Model in Tracht. Beim Umzug strahlt dann die ganze Stadt in voller Tracht.
16 Tage lang, bis zum 5. Oktober, werden Besucher aus der ganzen Welt erwartet, um in den grossen Bierzelten zu feiern, Riesenrad oder Wilde Maus zu fahren. Mehr als 6 Millionen sind es üblicherweise pro Jahr. Der Rekord liegt bei über 7 Millionen Besuchern.
Der Haupteingang der Wiesn am Abend.
Wer feiert, muss auch essen – beispielsweise fruchtige Köstlichkeiten. Und ausserdem bietet so ein Verkaufsstand auch reichlich Schattenplatz.
Im Zelt liegen die wichtigsten Utensilien der Blasmusiker parat.
Das wichtigste Utensil der Besucherinnen und Besucher präsentieren eben diese hier im Hofbräu-Festzelt: Bier.
Rund 7 Millionen Mass Bier wurden im vergangenen Jahr auf der Wiesn ausgeschenkt. Der Anteil des alkoholfreien Bieres am Gesamtausschank lag bei 4 bis 5 Prozent. Ein Fall aus dem Jahr 1901 sorgt bis heute für Aufsehen: In der Bierbude Lang wurde damals ein besonderes Diplom verliehen. Die beiden Herren I. und M. Hager hatten es geschafft, jeweils zehn Mass zu trinken. Also an die zehn Liter Bier pro Person.
Auch die Münchner Löwen präsentieren ihre Masskrüge, allen voran der frühere Nationalspieler Kevin Volland. Seinen Mannschaftskollegen aber kann man verhaltene Freude unterstellen – die Fussballer hatten zum Wiesnstart eine heftige Heimniederlage in der dritten Liga hinnehmen müssen.
Die Promi- (und C-Promi-)Dichte auf dem Oktoberfest ist alljährlich hoch. Hier präsentiert zum Beispiel die Schauspielerin und Moderatorin Palina Rojinski ihr aktuelles Dirndl im Schützenfestzelt.
Nach dem sonnigen Startwochenende kam der abrupte Temperatursturz. Es wurde deutlich kälter, und es regnete. Aber: So ein bisschen Regen vermiest auf der Wiesn weder die Stimmung noch das Geschäft. Das älteste Fahrgeschäft auf der Wiesn ist übrigens die Hexenschaukel. Die gibt es seit 1894 – mit einer zeitweiligen Unterbrechung. Seit dem hundertjährigen Jubiläum im Jahr 1994 lässt sich wieder hexerisch schaukeln.
Regen und Rauch bestimmen die Szenerie vor dem Fahrgeschäft «Predator».
In ist, wer drin ist – das alte Münchner Sprichwort der Schickeria gilt in diesen Tagen besonders. Im Bierzelt stört der Regen nicht. Die Trachtler sind mit ihren Outfits ohnehin zeitlos.
Das Armbrustschützenzelt zur Primetime: volle Bänke, volle Gänge.
Auf der Wiesn wird aber nicht nur getrunken, sondern auch gefahren. Zum Beispiel auf dem «Bayern Tower» – dem weiss-blauen Riesenkettenkarussell, das mit 90 Metern alle anderen Wiesnfahrgeschäfte überragt. Spätestens dort oben dreht sich einem alles. Aber: Man geniesst auch einen grossartigen Ausblick auf Alpen, Frauenkirche und das Festgelände.
Riesenrad und Riesenkarrussell auf der Wiesn.
Die Wiesn bei Nacht.
«Aus is und gar is, und schad is, dass’s wahr is!» – mit diesem Spruch aus der legendären Münchner Fernsehserie «Monaco Franze» verabschiedet man sich traditionell vom Oktoberfest. Am Abend, wenn die vielen bunten Lichter der Fahrgeschäfte, Stände und Bierzelte in der Dunkelheit leuchten und glitzern, kommt beim letzten Blick aufs Festgelände gerne einmal Wehmut auf.