Ifo-Prognose: Ökonomen sehen kein Ende der deutschen Wirtschaftskrise

Während Kanzler Merz beim Koalitionsausschuss Wachstum verspricht, zeichnet das Ifo-Institut ein ernüchterndes Bild: Die deutsche Wirtschaft erholt sich kaum, die Arbeitslosigkeit steigt. Konkrete Beschlüsse der Koalition bleiben überschaubar.

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Suchen einen Weg aus der Krise: der CSU-Chef Markus Söder, Bundeskanzler Friedrich Merz, Arbeitsministerin Bärbel Bas sowie der SPD-Chef und Vizekanzler Lars Klingbeil.

Suchen einen Weg aus der Krise: der CSU-Chef Markus Söder, Bundeskanzler Friedrich Merz, Arbeitsministerin Bärbel Bas sowie der SPD-Chef und Vizekanzler Lars Klingbeil.

Christian Spicker / Imago

Immerhin in einem Punkt herrscht Einigkeit in der schwarz-roten Regierungskoalition: Deutschland steckt in einer tiefen Krise. «Seit drei Jahren haben wir eine Schwächephase», so brachte es der Vizekanzler Lars Klingbeil am Mittwochabend nach Ende des Koalitionsausschusses auf den Punkt. Die Diagnose teilte auch Kanzler Friedrich Merz. Zwar verwies er auf erste Fortschritte, räumte aber zugleich ein: «Natürlich sind Fehler passiert.» Vier Monate nach seinem Amtsantritt bleibt der grosse Durchbruch somit vorerst aus.

Das zeigen nun auch neue Zahlen des Ifo-Instituts. Nach der Herbstprognose der Münchener Forscher wächst die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr gerade einmal um 0,2 Prozent. Für 2026 rechnen die Forscher mit 1,3 Prozent, für 2027 mit 1,6 Prozent. Damit haben die Ökonomen ihre Erwartungen erneut leicht nach unten korrigiert. Von einer echten Erholung ist Deutschland damit weit entfernt.

Belastungen von aussen, Unsicherheit im Innern

Hauptgrund für die schwache Lage bleibt der Handelskonflikt mit Donald Trump. «Die US-Zölle belasten die deutsche Wirtschaft nach wie vor spürbar», sagt der Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser. Zwar hat die Einigung im Zollstreit mit Washington etwas Ruhe gebracht, die hohen Abgaben selbst bleiben jedoch bestehen. Nur die Unsicherheit, die viele Unternehmen bislang von Investitionen abhielt, könnte allmählich schwinden – ein kleiner Trost.

Doch die Probleme liegen nicht allein im Aussenhandel. Viele Firmen klagen über fehlende Nachfrage, sinkende Wettbewerbsfähigkeit und hohe Kosten. Das produzierende Gewerbe stagniert, die Bauwirtschaft steckt weiter in der Krise. Zwar profitieren Tiefbauprojekte von staatlichen Aufträgen, doch die private Bautätigkeit bricht ein. Auch die Verbraucher halten ihr Geld zusammen: Die Einkommen steigen zwar leicht, doch die Kaufkraftgewinne sind bescheiden, und die Stimmung ist gedrückt.

Staatliche Impulse, ungewisse Wirkung

Der Blick richtet sich deshalb nun einmal mehr auf die Politik. Die Regierungskoalition aus Unions-Parteien und Sozialdemokraten setzt auf zusätzliche Ausgaben und Entlastungen, um die Wirtschaft zu stützen – etwa Investitionen in Infrastruktur, geringere Stromkosten für Unternehmen oder steuerliche Erleichterungen. Laut Ifo summiert sich dieser Effekt 2025 jedoch nur auf rund 9 Milliarden Euro. Das ist gemessen an der Grösse der deutschen Volkswirtschaft wenig.

Erst in den kommenden Jahren könnte der Effekt grösser ausfallen: Für 2026 setzen die Ifo-Ökonomen 40 Milliarden Euro an, für 2027 noch rund 20 Milliarden. Ob ein Schub für die Konjunktur dann tatsächlich eintritt, hängt von einer entschlossenen Umsetzung ab. «Wenn die Massnahmen konsequent und überzeugend umgesetzt werden, kann die Finanzpolitik helfen, die deutsche Wirtschaft aus der Krise zu hieven», sagt Wollmershäuser. Bleibe es jedoch beim Reformstillstand, drohten weitere Jahre der Lähmung.

Krise auch am Arbeitsmarkt

Auch der Arbeitsmarkt zeigt, wie fest Deutschland in der Krise steckt. Im August übersprang die Zahl der Arbeitslosen zum ersten Mal seit zehn Jahren die Marke von 3 Millionen. Im Gesamtjahr sehen die Ifo-Ökonomen die Quote gar auf 6,3 Prozent ansteigen. Erst in den Jahren darauf erwarten die Ökonomen eine Besserung.

Bei den Preisen ist eine nachhaltige Entspannung nicht in Sicht: Die Inflation dürfte 2026 zwar leicht auf 2,1 Prozent sinken, weil Energie günstiger wird. Doch 2027 droht ein erneuter Schub – ausgelöst durch einen kräftigen Anstieg des CO-Preises. Dann könnte die Inflation wieder auf 2,6 Prozent steigen.

Das Ifo-Institut warnt daher vor weiteren Jahren der Stagnation, sollte die Politik nicht entschlossen handeln. Der Koalitionsausschuss sendete am Mittwochabend indes ein gemischtes Signal: Zwar wurden zahlreiche Vorhaben diskutiert und angestossen, doch als greifbarste Ergebnisse ragen vor allem die Ankündigungen eines Stahl- und eines Automobilgipfels heraus. Damit kehrt die Debatte dorthin zurück, wo sie begann – zum Eingeständnis, dass Deutschland in der Krise feststeckt.