„Das moldauische Volk hat das Recht, ohne äußere Einmischung über seine eigene Zukunft zu entscheiden“, erklärte die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas vor einem Monat während einer Pressekonferenz des EU-Moldau-Assoziationsrats. Um dieses Recht zu wahren, hat sich die EU jedoch massiv in die jüngsten Wahlen in Moldau eingemischt. Ist das noch Demokratie?
Bei der Parlamentswahl am Sonntag erzielte die proeuropäische Partei der Aktion und Solidarität (PAS) unter der Führung von Maia Sandu nach Auszählung nahezu aller Stimmen 50,1 Prozent. Der prorussische Patriotische Block kam auf 24,2 Prozent. Kurz vor den Wahlen kam es zu zahlreichen Razzien und Gerichtsurteilen, die zum Ausschluss von zwei kremlnahen Parteien führten. Der Vorwurf der „russischen Einflussnahme“ steht im Raum – wird Moldau zu einem Rumänien 2.0?
„Russische Desinformation“ als heilige Waffe gegen Wahlniederlagen?
Denn auch in Rumänien gewann Ende November letzten Jahres der prorussische Kandidat Calin Georgescu die erste Wahlrunde. Doch kurz vor der Stichwahl erklärte das Verfassungsgericht in Bukarest das Ergebnis aufgrund angeblicher Unregelmäßigkeiten bei der Wahlkampffinanzierung für ungültig. Der Vorwurf: Russland habe sich in den Wahlprozess eingemischt – handfeste Beweise fehlen bis heute. Schließlich trat der proeuropäische Kandidat Nicusor Dan als Sieger hervor und wurde Präsident von Rumänien.
In Moldau zeichnete sich ein ähnliches Bild ab. Die prorussischen Parteien Herz Moldaus und Moldova Mare sowie der Wahlblock Alternative wurden nur zwei Tage vor der Wahl von der Zentralen Wahlkommission, dem Justizministerium und Gerichten ausgeschlossen. Beweise sollen illegale russische Finanzierungen in Millionenhöhe, Wählerbestechung, Verbindungen zur verbotenen Sor-Partei und „Desinformationskampagnen“ in den sozialen Medien belegen. Vor den Wahlen kam es zu zahlreichen Verhaftungen.
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Auslöser für die Maßnahmen war ein Bericht des moldawischen Nachrichtenportals Nordnews, in dem behauptet wurde, ein Korrespondent der Nachrichtenorganisation Evrazzia sei in ein Netzwerk eingeschleust worden, das Wahlwerbung in den sozialen Medien verbreitete. Dies soll mit etwa 2500 Euro entlohnt worden sein. Den Behörden zufolge seien ähnliche Aktivitäten mit Russland in Verbindung zu bringen. Konkrete Beweise wurden bisher jedoch nicht öffentlich gemacht.
Die Wahl ist nun Geschichte, und der „Gewinner“ ist Europa – oder vielmehr die Europäische Union. „Unsere Tür ist offen“, schrieb EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auf Bluesky und gratulierte Moldau zum Wahlausgang. „Wir werden ihnen bei jedem Schritt Seite an Seite stehen.“ Das Land hat 2024 offiziell den EU-Beitritt eingeleitet. Der Wunsch Brüssels ist unmissverständlich: „Europa ist Moldau. Moldau ist Europa“, sagte EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola.
Doch ist das nicht auch eine Form ausländischer Einflussnahme? Schließlich stellt die EU zunehmend Mittel für NGOs und Medien in osteuropäischen und EU-skeptischen Ländern zur Verfügung, um ihre Agenda voranzutreiben. Bislang jedoch wurde kein proeuropäischer Kandidat aus den Wahlen ausgeschlossen oder verhaftet.
Brüssel versprach Moldau unter anderem einen „Wachstumsplan“ im Wert von 1,8 Milliarden Euro, jedoch nur, wenn die Regierung die EU-Bedingungen erfüllt. Darüber hinaus wurden EU-Steuergelder in Höhe von 200 Millionen Euro als „Verteidigungshilfe“ gegen Russland bereitgestellt. Am 4. September zahlte die EU-Kommission 18,9 Millionen Euro aus dem „Wachstumsplan“ aus.
Warum investiert die EU Millionen in osteuropäische Medien?
Die EU investiert außerdem Millionen von Euro in den Osten Europas, um gegen „Desinformation“ vorzugehen und Medien sowie Journalismus-Projekte zu fördern. Im Rahmen des Programms EU4Independent Media (EU4IM) hat die EU zwischen 2022 und 2025 fast acht Millionen Euro zur Verfügung gestellt, um Medien in der Ukraine, Armenien, Aserbaidschan, Georgien, Belarus und Moldau zu unterstützen. Ziel des Programms ist es unter anderem, „unabhängige Medienorganisationen“ im Kampf gegen „russisch geprägte Fehlinformationen“ zu stärken.
Mitte September entsandte die EU-Kommission ein „Rapid Response Team“ nach Moldau, das gegen „russische Desinformation“ und „Wahlmanipulation“ vorgehen sollte. „Wir haben kürzlich ein Expertenteam entsandt, um Moldau im Kampf gegen ausländische Einmischung zu unterstützen“, erklärte Kallas im Vorfeld. Oder, präziser gesagt, um sich selbst in die Wahlen direkt aus Brüssel einzumischen.